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Automatisch, Elektrisch, Digital!

Vorab einige Sätze, um die Entstehung evtl. falscher Eindrucke und Wahrnehmungen zu vermeiden. Ich unterstütze die Digitalisierung und Automatisierung seit Jahren als Facharchitekt, Business-Analyst und Projektkoordinator in unterschiedlichen Unternehmen. Ich bin dankbar, diese Epoche mitgestalten, miterleben und davon profitieren zu dürfen. Mit nachfolgendem Inhalt möchte ich einige Gedankenansätze ansprechen. Gedanken, die wir alle berücksichtigen sollten, während wir Aufgaben in diesen Gebieten wahrnehmen. Gedanken, die uns unterstützen sollen, die menschlichen Aspekte jeder Entwicklung, jeder Dienstleistung ebenfalls zu berücksichtigen.

Es gab einige Tage während meiner Schulzeit, in denen ich sehr viel Schach gespielt habe. Es waren tolle Erfahrungen u.a. beim Erlernen neuer Züge. Zusätzlich kam mir – Gott sei Dank – sukzessive auch die Erkenntnis, dass ich viel wertvolle Zeit dafür verwendete. Eines Tages, als einige Freunde gemeinsam wieder Schach spielten, sagte ich folgendes: „Eines Tages wird die Menschheit Geräte entwickelt haben, die selbst mit sich spielen und wir dann mehr Zeit für andere Tätigkeiten haben“. Das war vor ca. 50 Jahren. Ungefähr 10 Jahren später hatte ich die Möglichkeit, selbst mit den ersten Computern zu arbeiten und mit Lochkarten Programme zu schreiben. Es war das erste Mal, dass ich mich wieder daran erinnerte, was ich damals behauptet hatte. Seitdem erinnere ich mich in unterschiedlichen Situationen wieder daran.

Eine dieser Situationen war vor ca. 34 Jahren, als ich erstmals einen Kaugummiautomaten gesehen habe. Er machte mich sehr nachdenklich und traurig. Aus dem Iran kannte ich Verkäufer, die mit einem kleinen Bauchladen z. B. an den Kreuzungen Kaugummi verkauften. Oder auch kleine „Tante Emma-Läden“, die alles mögliche im Sortiment hatten. Es war immer eine Konversation, „Social Media“, „Nachrichtenticker“ und vieles mehr, – einfach ein Erlebnis, ein Kaugummi zu kaufen. Ja tatsächlich, sie haben auch einen einzelnen Kaugummi statt Kaugummipackungen verkauft. Der Verkäufer war ein lebendiger „Nachrichtenticker“, vor allem für die regionalen Nachrichten. Er wusste fast alles, was geschehen ist und noch geschehen sollte. Der Käufer hat sich gerne mehr Zeit genommen, um ihm zuzuhören. Und wenn weitere Käufer – unterschiedlicher Altersklassen – dazu kamen, dann war das eine für alle Nutzen bringende „Live Konversation“. Einen Kaugummi zu kaufen dauerte solange, wie der Käufer sich informieren und sich dafür Zeit nehmen wollte. Und der Verkäufer finanzierte sein Leben davon. Und jetzt stand ich vor dem Kaugummiautomaten. Münze reinschmeißen, Schalter betätigen, Kaugummi raus nehmen, fertig. Dauer: weniger als 30 Sekunden. „Konversation?“, „regionale Nachrichten?“ – fehlten. Anschließend schmeckte der Kaugummi anders.

Weitere Situationen, in denen ich mich an meine damalige Behauptung erinnerte, waren und sind z.B.:

  • als ich die Zeitungsboxen am Straßenrand gesehen habe
  • als ich meinem ersten Schachprogramm auf C64 zugeschaut habe, wie zwei (Software-) Spieler miteinander spielten und ich nur zuschauen durfte
  • als das gesamte Bahnhofgebäude des Ortes geschlossen, alle Mitarbeiter entlassen und alles durch einen einzigen Automaten ersetzt wurden. Einen Automaten der schriftlich kommuniziert und sich höchstens durch Piepsen oder eine „digitale“ Sprache hörbar macht. Und die „Konversation“ seitens des Käufers nur zu hören ist, wenn ihn der Automat wieder nicht verstanden hat. Und das Gebäude steht seitdem leer und verfällt
  • immer wieder, wenn ich von dem “Eier-Automat” im “Eier-Häuschen” Eier kaufe und dabei die Unterhaltung mit der Bauernfamilie vermisse
  • immer wieder, wenn mir anstatt des freundlichen Wächters, der elektrische Kartenleser und die drehbare Eisenstangen den Zugang zu den Gebäuden gewähren
  • immer wieder, wenn ich in den Nachrichten höre, wie sehr die Online-Bestellung die kleinen feinen Läden beeinflusst

Ja, meine Behauptung ist wahr geworden. Haben wir jetzt mehr Zeit? Was machen wir mit dieser frei gewordenen Zeit? Verwenden wir sie für unser Leben, für mehr soziale, direkte Interaktion mit Menschen? Verwenden wir sie für die Kosten-Nutzen-Analyse der einzelnen „Erfindungen“? Kosten auch im Sinne von menschlichen Schicksalen. Oder verwenden wir die Zeit, um weitere „Automaten“ zu finden? Motto „immer mehr, immer weiter, immer schneller“.

Wir haben die Chance, die Möglichkeiten zu nutzen und Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die die menschlichen Aspekte berücksichtigen. Um diese Chance aktiv wahrzunehmen, brauchen wir nur die Menschen einbeziehen und ihnen zuhören, die bei dieser Weiterentwicklung beteiligt und von den Ergebnissen betroffen sind. Sowohl die Beteiligten als auch die Betroffenen besitzen jahrelange Erfahrungen und das Wissen. Sie wissen, wo die „Digitalisierung“ und „Automatisierung“ für alle Menschen Nutzen bringt und wo stattdessen nur mehr Geld für wenige Aktoren rausspringt. Sie wissen, welche positiven und welche negativen Auswirkungen die Ergebnisse mit sich bringen.

Wir alle können die Entwicklung so steuern, dass die menschlichen Aspekte noch mehr berücksichtigt werden. Wir, v.a. diejenigen von uns, die in unterschiedlichen Rollen bei der Digitalisierung, Automatisierung oder Herstellung von elektrischen Geräten mitwirken. Wir müssen und sollten nur einmal mehr als vorgesehen mit den Beteiligten und den Betroffen reden. Wir müssen und sollten einmal mehr die Effektivität statt der Effizienz in den Vordergrund unserer Vorhaben stellen. Effektivität im Sinne von “menschlich relevante Ziele erreichen”. Die menschliche relevanten Aspekte auf Kosten von Effizienz – im Sinne von Reduzierung von Ressourcen, Kosten und Zeit – zu vernachlässigen, ist aus meiner Sicht ein Missbrauch der Erfahrungen und der bisherigen Entwicklungen statt deren Nutzung. Ich bin mir sicher, dass es bereits einige Erfinder, Designer und Entwickler gibt, die in diese Richtung denken und arbeiten. Wir können und sollten von ihnen lernen und sie unterstützen.

Wie wäre es, wenn wir statt IOT (internet of things) von TFH (things for humans) o. ä. reden und es anstreben. Vielleicht können wir damit die Gemeinsamkeiten bündeln und die daraus entstehenden Synergien nutzen.

Ich bin sehr gespannt auf deine Ideen, Beiträge, Vorschläge und Schritte in dieser Richtung. Vorab vielen herzlichen Dank dafür.

4 Antworten auf „Automatisch, Elektrisch, Digital!“

Viele unserer Mitmenschen betrachten Menschen nur als Kosten und wachen erst auf, wenn sie einmal selbst von anderen so gesehen werden. Dann ist der Schock groß.

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